Ich für meinen Teil liebe das Kribbeln vor dem Rennen – es fängt schon montags an – ich kann es kaum abwarten. So habe ich das nicht erwartet. Der Wettbewerb triggert mich – er triggert uns.

Das erste Punkterennen in der Zwift Racing League steht unmittelbar bevor. In der Zwischenzeit konnten wir im Team das vergangene TT-Rennen reflektieren, analysieren und Strategien perfektionieren. Was haben wir bis jetzt gelernt, was können wir umsetzen? Es wurde viel diskutiert, Wattwerte wurden analysiert, Körpergewichte gecheckt, und die schwereren Fahrer wurden in den Sprinterolymp erhoben, um am Ende des bevorstehenden Rennens alles in Grund und Boden zu fahren. Wir sind heiß, wir haben Blut geleckt! Das nächste Team Rennen in der Kategorie C kann kommen.

Und dann – zurück zur Realität!

Gleich geht es los, gleicht zündet das Feuerwerk. Nervöses Hin- und Herrutschen auf dem Rad. Ein gebannter Blick auf den Countdown am Zwift Banner. 3..2..1 – und Boom, raus aus dem Sattel, rein in den Vollgasmodus – dachte ich, doch halt, was machen die Fahrer vorne – noch mehr Vollgas? Bei mir stellt sich erste Atemnot ein. Was ist hier los? Ich bin schon einige Rennen gefahren. Ich überlebe meist die ersten 20 Minuten des Starts in der B-Gruppe. Ein Blick auf meinen Zwift-Monitor relativiert die Surrealität, in der ich mich befinde. „Mist!“, ich fahre wirklich „nur“ in C. Wie kann das sein, woher diese Power und die wichtigste Frage – „wo sind meine Teamkollegen?!“. Hektische Blicke, mal auf dem Hauptschirm, mal auf der Teilnehmerliste.

Nach einem kurzen Moment der Sorge kommt die Erleichterung, alles läuft wie geplant, alle Teamkollegen sind in der ersten Gruppe – alle haben im wahrsten Sinne den Start überlebt.

Für einen kurzen Moment pendelt sich das Tempo auf hohem Niveau ein. Am unteren Bildschirmrand, in den Wattzonen, sorgen die grün und blau abgebildeten Powerbalken für eine, wie sich herausausstellen wird, trügerische Zuversicht. Jetzt kommt gleich mein Moment, mein Licht im Glanze der am Horizont immer näher kommenden ersten Sprintwertung erstrahlt. Ich, ein stattlicher 85kg Fahrer – dazu bestimmt, die Sprintwertungen dieser Welt zu dominieren, sollte zum Angriff blasen. Aber was ist das? Der kurze Anstieg vor der Sprintwertung wird seitens des Fahrerfeldes, mit einer Vehemenz, einer zerstörerischen Intensität bestritten, die mich in nur wenigen Sekunden zum Spielball des Peloton verkommen lässt. Mein Herz blutet, meine Augen tränen, die Beine brennen – unter meinem Namen werden nur noch  4 – 5 Watt/kg angezeigt. „Hilfe, was soll ich tun?“, schießt es mir durch den Kopf. Hinter her! – Bleib dran! Oben angekommen nur noch wenige Meter, nur wenige Sekunden zum Beginn des ersten Zwischensprints. Ein Blick auf meinen Puls – 160 Schläge und 340 quälende, wohl im Geiste nie aufhörende Meter wollen bezwungen, wollen dominiert werden.

Ich trete rein und merke sofort, wie das Laktat meine Beine lähmt. Der Schmerz pocht, der Wille schwindet, die Kurbel fühlt sich so verdammt zäh an. Es fällt schwer, mich zu überwinden. Gedanken wie – warum machst Du das?!?!? – es ist 19.35 Uhr! – Du hast kaltes Bier im Kühlschrank – schießen mir durch den Kopf.

Zack vorbei – nix gerissen im Sprint, aber Dirk war schnell. Unter den Top 3. Geil, denke ich mir, und noch bevor ich den komatösen Sprintzustand meines Körpers abschütteln konnte, schießt das Fahrerfeld an mir vorbei. Ein Gefühl der Bewunderung und gleichzeitiger Ohnmacht hält mich kurz im Zaum. Ich ahne es: Keine Zeit um auszuruhen. Vollgas weiter. Mir wurde unmissverständlich klar: Junge, du hast das unterschätzt, hier wird nicht spekuliert, hier wird richtig geballert und gekämpft. Und im wahrsten Sinne des Wortes wurden die folgenden Runden zum Überlebenskampf. Zweiter Sprint – All Out – am Leistungs-Peak. Ich wundere mich teils selbst, wo ich die Kraft noch hergenommen habe. Ich scheine irgendwo unerkannt Energie zu bunkern. Mein Körper quittiert diesen Übereifer mit Pulswerten, die jeden Notarzt in Handlungsnöte bringen würde. Und wieder donnert das Feld unermüdlich an mir vorbei, und ich quäle mich heran, sehe zu, dass ich mich wenigstens im Windschatten ein wenig „erholen“ kann, versuche, im vorderen Drittel mitzuschwimmen und nicht abzusaufen.

Das ersehnte Ende naht – der Zielsprint steht bevor – eine Mittelgruppe aus 8 Fahrern sprintet um die Ehre ihrer Mannschaft. Irgendwie, ein Stoßgebet vorausgehend, ermöglicht mir mein Körper, nochmal die 11 W/kg Grenze anzureißen. Geschafft: Platz 34. Glücklich, ernüchtert, japsend, aber gleichzeitig wieder heiß auf nächste Woche. Gesamtplatz 6 fürs Team. Alles anders, aber vieles richtig gemacht.

Wieder im Hier und Jetzt angekommen, gilt es, meinen Gedanken von 19.35 Uhr nachzukommen. Das Bier ist immer noch kalt, ich genieße es, lasse das Geschehene im Geiste Revue passieren, suhle mich sozusagen nochmal in meiner kläglichen Leistung und falle anschließend zufrieden ins Bett. Nächste Woche greifen wir wieder an! Und dann mache ich das besser… oder eben wieder anders.

Gastbeitrag von Adam Lazar

Adam Lazar fährt aktuell für das Team ZRG#4 bei der WTRL Rennserie. Weitere Infos zur WTRL gibt es hier.

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